
In den letzten Wochen kursieren viele vereinfachte Aussagen zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Tenor oft: „Newsletter ohne Einwilligung? Jetzt erlaubt!“
Kurz gesagt: Das stimmt so nicht.
Und genau deshalb lohnt sich ein genauer Blick – ohne Juristendeutsch, aber mit Klarheit.
Warum das Thema gerade so viel Aufmerksamkeit bekommt
Der EuGH hat sich mit einer Frage beschäftigt, die viele Unternehmen umtreibt:
Wann darf ich E-Mail-Werbung verschicken, ohne vorher ein explizites Opt-in eingeholt zu haben?
Im Mittelpunkt stand das sogenannte Bestandskundenprivileg – eine Ausnahme von der sonst sehr strengen Einwilligungspflicht im E-Mail-Marketing.
Das Urteil sorgt für Bewegung, aber nicht für einen Freifahrtschein.
Aber was ist das Bestandskundenprivileg überhaupt? Grundsätzlich gilt in Europa:
👉 Werbe-E-Mails dürfen nur mit vorheriger Einwilligung (Opt-in) versendet werden.
Es gibt jedoch eine enge Ausnahme – das Bestandskundenprivileg.
Dieses ist geregelt in:
- Art. 13 Abs. 2 der ePrivacy-Richtlinie
- § 7 Abs. 3 UWG (deutsche Umsetzung)
Es erlaubt E-Mail-Werbung ohne zusätzliches Opt-in, wenn sehr konkrete Voraussetzungen erfüllt sind.
Wichtig: Diese Ausnahme gab es schon lange vor dem EuGH-Urteil.
Worum ging es konkret im EuGH-Urteil?
Im verhandelten Fall hatten Nutzer kein Produkt gekauft. Sie hatten sich lediglich kostenlos auf einer Online-Plattform registriert, um Zugriff auf zusätzliche Inhalte zu erhalten.
Die zentrale Frage war: Zählt eine solche Registrierung bereits als „Verkauf“ im Sinne des Bestandskundenprivilegs?
Der EuGH sagt: Ja, unter bestimmten Umständen.
Konkret:
- Auch eine kostenlose Registrierung kann als wirtschaftliche Gegenleistung gelten
- Zum Beispiel, wenn Nutzer ihre E-Mail-Adresse abgeben, um Inhalte oder Services zu nutzen
- Damit kann dieser Kontakt unter das Bestandskundenprivileg fallen
Das ist neu – und relevant. Aber: Nur, wenn alle weiteren Bedingungen erfüllt sind.
Bedeutet das jetzt: Newsletter ohne Einwilligung?
Kurzantwort: Nein. Der EuGH hat nicht entschieden, dass E-Mail-Marketing generell ohne Einwilligung erlaubt ist. Ganz im Gegenteil:
- Die Opt-in-Pflicht bleibt der Regelfall
- Das Bestandskundenprivileg bleibt eine enge Ausnahme
- Und diese Ausnahme gilt nur, wenn alle Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind
Der EuGH stellt ausdrücklich klar, dass die Einwilligung weiterhin der Grundsatz ist.
Wann ist E-Mail-Marketing ohne Einwilligung überhaupt erlaubt? Nur wenn alle folgenden Punkte erfüllt sind:
1. E-Mail-Adresse im Nutzungs- oder Verkaufskontext erhalten. Die Adresse muss im Zusammenhang mit:
- einem Kauf oder
- der Nutzung eines Dienstes (auch eines kostenlosen, wirtschaftlich motivierten Angebots) erhoben worden sein.
2. Werbung nur für eigene, ähnliche Angebote. Es darf ausschließlich für:
- eigene
- ähnliche Produkte oder Dienstleistungen geworben werden. Kein Cross-Selling, keine Partnerangebote, keine Experimente.
3. Klarer Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei der Erhebung. Bereits beim Erfassen der E-Mail-Adresse muss:
- klar und verständlich
- auf das jederzeitige Widerspruchsrecht hingewiesen werden
4. Abmeldung in jeder einzelnen Mail. Jede Werbe-Mail muss:
- eine einfache
- kostenlose
- sofort nutzbare Abmeldemöglichkeit enthalten
Warum das für die Praxis trotzdem wenig ändert
Theoretisch wurde der Anwendungsbereich erweitert. Praktisch gilt aber:
👉 Die meisten Unternehmen scheitern an Punkt 3 und 4.
Genau deshalb bleibt:
- das Opt-in weiterhin der sicherste
- und in den meisten Fällen der einzige rechtssichere Weg
Einfach Newsletter an „alle Kontakte“ zu schicken, bleibt unzulässig.
Fazit: Keine Abkürzung, keine Ausrede
Der EuGH hat keine neue Freiheit geschaffen, sondern eine bestehende Ausnahme präzisiert.
Was sich ändert:
- Kostenlose Registrierungen können unter bestimmten Umständen als Bestandskunden gelten
Was sich nicht ändert:
- Ohne saubere Prozesse, klare Hinweise und saubere Abmeldemöglichkeiten geht nichts
- Unkontrolliertes E-Mail-Marketing ohne Einwilligung bleibt verboten
Oder anders gesagt:
👉 Wer das Bestandskundenprivileg bisher nicht korrekt umgesetzt hat, kann es jetzt auch nicht plötzlich nutzen. Rechtssicheres E-Mail-Marketing bleibt Handwerk – kein Schlupfloch.
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